Massenabmahnung wegen Porno-Stream: Wurden Betroffene in eine Falle gelockt?

Die Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U + C) hat ungezählten Internetnutzern eine teure Abmahnung geschickt. Der Vorwurf: Die Betroffenen sollen einen pornografischen Webstream auf der Plattform redtube gesehen haben. Jetzt äußert ein Jurist einen spektakulären Verdacht: Die Betroffenen wurden möglicherweise in eine Falle gelockt. 

Mann übergibt Brief mit Abmahnung

Bild: fovito/fotolia.com

Die Kanzlei U+C schreibt in ihren Abmahnungen, der Empfänger habe einen Videostream auf der Internetseite redtube gesehen und damit einen Verstoß gegen das Urheberrecht begangen. Deshalb solle der Abgemahnte 250 Euro zahlen, nämlich 169,50 Euro Anwaltskosten, 65 Euro Ermittlungskosten und 15,50 Euro Schadensersatz. Zudem sollen die Anschlussinhaber eine Unterlassungserklärung abgeben.

„Bislang berichten nur Kunden der Telekom von solchen Abmahnungen“, schreibt der Strafverteidiger Udo Vetter auf lawblog.de. Das Geld wird von U+C im Namen einer Firma namens “The Archive AG” gefordert. Berichten zufolge geht es in den Abmahnungen um die Filme

  • “Dream Trip”
  • „Hot Stories“
  • „Amanda’s secrets“
  • „Miriam’s Adventures“
  • „Glamour Show Girls“

Ungewöhnlich ist die Abmahnwelle, weil es nicht wie sonst um das Herunterladen oder Tauschen von Filmen geht, sondern um die Nutzung von Streams, bei denen ein Film zwar angesehen, jedoch nicht dauerhaft auf dem eigenen Computer gespeichert wird. Dass auch Stream-Nutzer wegen – angeblicher – Urheberrechtsverstöße abgemahnt werden, ist äußerst selten.

„Zweifelhaft, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt“

Ob man die von Urmann + Collegen geforderten Kosten nun tatsächlich zahlen muss, ist unter Juristen sehr umstritten. „Es ist höchst zweifelhaft, ob überhaupt eine Urheberrechtsverletzung vorliegt“, schreibt Udo Vetter in seinem lawblog.de. „Das bloße Betrachten eines Streams ist nach der derzeit gültigen Rechtslage keine “Vervielfältigung”. Das Gesetz fordert aber gerade diese “Vervielfältigung” für eine Urheberrechtsverletzung. Ob das eventuelle Zwischenspeichern auf dem Gerät schon eine Vervielfältigung ist, haben die Gerichte bislang nicht geklärt“.

„In rechtlicher Hinsicht dürfte die Abmahnung angreifbar sein, da nach wie vor fraglich sein dürfte, ob durch das Streamen wie vorliegend tatsächlich Urheberrechte verletzt werden“, meint auch Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht.

Ob die Abmahnungen rechtlich haltbar sind – und Betroffene damit die 250 Euro zahlen müssen, ist dabei aber nur ein Aspekt der Abmahnwelle. Der Rechtsanwalt Alexander Schupp äußert jetzt auf der Webseite it-recht-deutschland.de einen spektakulären Verdacht. Er will nämlich nicht ausschließen, dass Betroffenen der Abmahnungen in eine teure Falle gelockt wurden.

Abmahnung wegen Porno-Stream: Wurde Betroffenen ein Trojaner untergeschoben?

Schupp kommt anhand verschiedener Indizien zur Vermutung, dass den Abgemahnten ein Schadprogramm auf den Computer geschmuggelt wurde. „Entweder, es handelt sich hier um ein Programm, welches den Internetverkehr des befallenen Rechners ausspioniert und diese Daten dann an interessierte Dritte (hier: z.B. Rechteinhaber) weitergibt oder es ermöglicht Dritten, den befallenen Rechner des Abgemahnten zum Abrufen der Streams bei Redtube zu nutzen.“

In beiden Fällen hätten also nicht die Abgemahnten den – rechtlich ohnehin fragwürdigen – „Verstoß“ begangen. Stattdessen wären ihre Daten schlichtweg missbraucht oder gefälscht worden, um einen Abmahngrund zu konstruieren.  Ob dem tatsächlich so ist, bleibt aktuell noch unklar. Mit weiteren Erkenntnissen ist in den nächsten Tagen zu rechnen.

Mehr zum Thema Abmahnungen und Urheberrecht in unserem Kapitel zum Thema.