Tricks mit 0900-Nummern rufen Regulierer auf den Plan

Die 0190 ist tot, es lebe die 0900: Transparenter und verbraucherfreundlicher, so sollte die „neue“ Nummer eigentlich sein. Das war zumindest die Hoffnung der Politik. Doch die Realität sieht anders aus. Ein aktueller Fall zeigt: Bestimmte Anbieter greifen schon wieder tief in die Trickkiste, um Verbraucher mit den „neuen“ Nummern abzukassieren – und sich anschließend aus der Verantwortung zu stehlen. Doch die Bundesnetzagentur ist alarmiert. Sie prüft jetzt rechtliche Schritte.

Timo H. war schlicht genervt. Am 30. Dezember gegen 13 Uhr klingelte sein Festnetztelefon. Er nahm ab – und hörte eine Bandansage. Er habe eine Kreuzfahrt gewonnen, teilte ihm eine freundliche Automatenstimme mit. Abzurufen sei der Gewinn per Anruf über eine 0900-Nummer, zum satten Preis von 29 Euro. Doch Timo H. aus dem Münsterland fiel nicht auf den teuren Trick herein. Stattdessen fand er heraus, wem die beworbene 0900-Nummer gehört, beschwerte sich bei der Firma per Mail – und bekam eine erstaunliche Antwort: Das Unternehmen räumte zwar ein, dass es die fragliche 0900-Nummer von der Bundesnetzagentur zugeteilt bekommen hatte. Doch die Nummer habe man „vermietet“, an eine Firma in Großbritannien: „Wir sind kein Carrier, sondern realisieren für unsere Kunden Dienste auf unseren Sprachcomputern. Wir sind für die Bewerbung unserer Vertragspartner in keiner Weise verantwortlich“, teilte das Unternehmen dem Spam-Opfer in einer Mail mit, die auch Dialerschutz.de vorliegt. Und dann verwies man noch an einen Kölner Rechtsanwalt, der als deutscher Ansprechpartner des britischen Unternehmens diene.

Mitkassieren, aber nicht verantwortlich sein

Mitkassieren, aber nicht verantwortlich sein. Unerwünschte Werbeanrufe, teure Nummern und dubiose Firmen im Ausland: Die Masche erinnerte nicht nur Timo H. fatal an dunkelste 0190-Zeiten. Ein System der Weiter- und Untervermietung war der Hauptgrund, dass sich Abzocker bei 0190-Nummern über Jahre hinweg in der Anonymität verstecken konnten. Erst zum Jahreswechsel wurden die Nummern in Deutschland abgeschaltet und endgültig von der 0900 ersetzt. Gehen die Tricks auf Kosten der Verbraucher trotzdem weiter?

Bei der Bundesnetzagentur, die für die Vergabe der Mehrwertdienste-Nummern zuständig ist, sorgt der Fall Timo H. für gewisse Verwunderung. „Die Aussage der Firma ist so nicht haltbar“, sagt Manfred Küster, Sprecher der Behörde, der wir den Fall vorlegten. „Nach dem Wortlaut der Zuteilungsregeln ist der Zuteilungsnehmer auch bei einem abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag mit einem Kunden verantwortlicher Nutzer der Nummer. Das heißt, er ist der Verantwortliche im Hinblick auf die Vorgaben zur Nutzung.“ Auch die Aussage, man habe die Nummer weitervermietet, sei schlichtweg falsch. „0900er Rufnummern können weder „gemietet“ noch „weitervermietet“ werden“, so Küster. Sie würden „zugeteilt“ und könnten vom Zuteilungsnehmer nur selbst genutzt werden. „Die Nutzung kann dabei im Rahmen einer Dienstleistung für einen Kunden erfolgen. Ob es sich bei dem Kunden um ein deutsches oder ein ausländisches Unternehmen handelt, ist irrelevant. In jedem Fall bleibt auch bei einer Nutzung im Rahmen einer Dienstleistung der Zuteilungsnehmer der Nummer gegenüber der Bundesnetzagentur und dem Anrufer für die rechtskonforme Nutzung der Rufnummer verantwortlich.“

Der Versuch der deutschen Firma, sich mit Verweis auf einen ausländischen Partner aus der Verantwortung zu stehlen, dürfte damit also fehlschlagen. Das betont auch Netzagentur-Sprecher Küster: „Bei Missbrauch der Nummern – also Nichteinhaltung von Gesetzen und Verordnungen – kann die Bundesnetzagentur einschreiten und die Nummer abschalten oder die Zuteilung entziehen“, erklärt er. Ein solcher Rufnummernentzug erfolge gegenüber dem Zuteilungsnehmer, da dieser im Sinne der Zuteilungsregeln Nutzer der Nummer bleibt. Daneben sei aber auch ein Vorgehen gegen den Dritten möglich. „Ob es sich dabei um einen deutschen oder ausländischen Zuteilungsnehmer oder Dritten handelt, ist grundsätzlich irrelevant, auch wenn sich das Verfahren möglicherweise bei Auslandsbezug verkompliziert.“

„Schon mehrere Beschwerden“

Im aktuellen Fall ist Timo H. nicht der einzige Verbraucher, der durch Spam-Anrufe mit Hinweis auf die teure 0900-Nummer belästigt wurde. „Der Bundesnetzagentur liegen bereits weitere Beschwerden zu der Rufnummer vor“, bestätigt Küster. Deshalb prüfe die Behörde derzeit rechtliche Schritte, etwa die Abschaltung der Nummer und ein Verbot der Rechnungslegung.

Wieviele 0900-Nummern heute schon im Rahmen von Dienstleistungs-Verträgen von ausländischen Firmen genutzt werden, ist der Bundesnetzagentur nach eigenen Angaben nicht bekannt. Für Verbraucher spielt das allerdings auch keine Rolle. Für sie sind die Konsequenzen klar: Wer Opfer eines Missbrauchs von 0900-Nummern wird, muss sich nicht damit abfinden, wenn der Nummerninhaber auf Partnerfirmen oder ausländische „Mieter“ verweist. Allein verantwortlich für einen etwaigen Missbrauch ist und bleibt derjenige, der bei der Bundesnetzagentur als Inhaber der Nummer registriert ist. Dieser sollte auch bei der Netzagentur gemeldet werden, wenn eine 0900-Nummer durch Spam beworben, oder in anderer Form für dubiose Geschäftsmethoden eingesetzt wird. Dass dies geschieht, zeigt der Fall von Timo H. und seinen Leidensgenossen. Das Kapitel 0190 ist zwar abgeschlossen. Das Kapitel Missbrauch teurer Nummern wohl noch lange nicht.