Prozess: Seitenbetreiber soll für Google-Ergebnisse haften (Update)

Müssen Betreiber von Internetseiten dafür haften, wie fremde Suchmaschinen ihre Ergebnisse darstellen? Um diese Frage geht es in einem spektakulären Prozess am 16. November vor dem Amtsgericht Bad Kissingen. Kläger ist ein Berliner Rechtsanwalt, beklagt ist Heiko Rittelmeier, der Betreiber der Seite Computerbetrug.de.

Der Grund: Dem Juristen passt es nicht, dass die Suchmaschine Google in seinen Ergebnislisten einen „Henk J.“ im Zusammenhang mit dem Namen Computerbetrug.de darstellte. Auf Computerbetrug.de selbst ist der Name J. allerdings gar nicht zu finden, und Anwalt N. J. behauptet zugleich, dass er mit „Henk J.“ nicht identisch sei. Muss Rittelmeier trotzdem dafür sorgen, dass Google seine Suchergebnisse anders darstellt? Muss er Suchmaschinen wie Google.de in Zukunft daran hindern, seine Seite zu finden? Sollte das Gericht zu diesem Schluss kommen, wären die Auswirkungen für die Betreiber deutscher Internetseiten möglicherweise verheerend.

Am Anfang stand eine Abmahnung. Im Namen eines „Minogue Verlages“ forderte Rechtsanwalt J. Computerbetrug.de dazu auf, in Zukunft nicht mehr zu behaupten, dass dieser Verlag Straftaten im Internet begehe. Schon das war erstaunlich. Denn so etwas hatte Heiko Rittelmeier, der Betreiber von Computerbetrug.de, niemals behauptet. Im Gegenteil: Auf seiner Seite hatte Rittelmeier nie ein Wort über den Minogue Verlag geschrieben. Was J. zum „Beweis“ vorlegte, war der Ausdruck eines Google-Suchergebnisses:

„Computerbetrug.de – Infos über Straftaten – [Translate this page] …activities or suspicions thereof. Domain: modelsweek.de domain-ace: modelsweek.de descry: Minogue Verlag GmbH descry: Pankstr. 8-10 A ? www.computerbetrug.de/whois/whois/whois.php?modelsweek.de – 14k – Supplemental Result – Cached – Similar pages“

Womit der Fall eigentlich schon klar war. Rittelmeier stellt auf seiner Seite Computerbetrug.de ein Formular zu Verfügung, mit dem man auf Whois-Dienste zugreifen kann, also auf öffentliche Datenbanken, in denen Betreiber von Internetseiten abfragbar sind. Irgendjemand hatte nun irgendwo im Internet einen Link zu computerbetrug.de/whois/whois.php veröffentlicht. Dieser Link wurde von Google in seinen Suchindex aufgenommen, samt dem whois-Ergebnis, dass der Minogue Verlag zum Zeitpunkt der Abfrage eben die Seite modelsweek.de betrieb. Die Seite Computerbetrug.de selbst hatte damit überhaupt nichts zu tun. Sie stellte lediglich einen Link zu der öffentlichen Datenbank bereit.

Google-Suchergebnis vorgelegt

Doch das wollte J. nicht hören. Wenig später flatterte Computerbetrug.de die nächste Abmahnung ins Haus. Diesmal hatte der Berliner Rechtsanwalt ganz offensichtlich nach seinem eigenen Namen gegoogelt – und stieß wieder auf Computerbetrug.de. Wieder forderte er Unterlassung, wieder legte er einen Ausdruck eines Google-Suchergebnisses vor:

„Computerbetrug.de – Infos über Straftaten – [Translate this page] Type: PERSON Name: Henk J. Adress: P(…)str. 8-10 a City: Berlin Pcode 14171 Country: de changed: 2004-06- 09T15:02:08+0200 source: DENIC www.computerbetrug.de/whois/whois/whois.php?modelsweek.de – 14k – Supplemental Result – Cached – Similar pages“

Im Original waren die Namen voll ausgeschrieben. Auch hier hatte also Google zugeschlagen, nachdem irgendjemand im Internet einen Link auf das Whois-Formular bei Computerbetrug.de gesetzt hatte. Mit Computerbetrug.de selbst hatte auch das nichts zu tun. Und der Name J. war auf der Verbraucherschutzseite auch nirgendwo zu finden.

Doch auch das wollte der Berliner Anwalt nicht hören – im Gegenteil: Er erwirkte vor Gericht zwei einstweilige Verfügungen gegen Computerbetrug.de. Die Verbraucherschutzseite solle es unterlassen, den Namen modelsweek.de oder J. im Zusammenhang mit den Worten „computerbetrug“ und/oder „Straftaten im Internet“ zu verbreiten. Und obwohl N. J. zugleich auch betonte, er sei mit dem „Henk J.“ im Google-Ergebnis nicht identisch, bestätigte das Gericht seine Auffassung. Dass ein deutscher Webseitenbetreiber nur bedingt beeinflussen kann, was eine amerikanische Suchmaschine wie Google wann und in welcher Form speichert oder eben löscht, schien auch das Gericht nicht zu verstehen.

Focus-Bericht: „Abzocke“ und „Briefkastenverlage“

Der Fall wird umso kurioser, wenn man sich die Seite Modelsweek und den Minogue Verlag einmal näher betrachtet. Denn beide standen schon mehrfach im Licht der Öffentlichkeit. Unter der Überschrift „Die Schaumfabrik“ berichtete zum Beispiel das Magazin Focus (Ausgabe vom 19. April 2004) über sie: „Zwei Berliner Briefkastenverlage zocken mit einer Verkaufsmasche bundesweit Tausende von Möchtegern-Stars ab“, hieß es wörtlich in dem Bericht. Geschildert wird darin, wie angehende Models dazu gebracht werden, ihre Bilder bei „Models Week“ zu veröffentlichen – gegen Bares, versteht sich. Mit dem Ergebnis, so Focus: „Keiner der Kontaktierten hat jemals auch nur einen einzigen Job ergattert, einige sprechen resigniert von „Betrug“ oder „Nepp“.“ Und auch der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtete Mitte Oktober 2006 unter der Überschrift „Unseriöse Modelverträge“ über die Seite models-week. Zitiert wurde dabei ein Fernsehprofi, der für die Besetzung von Rollen in TV-Serien verantwortlich ist. Sein Fazit über models-week: „Also ich meine, das ist lächerlich, so eine Seite.“ Wohl nicht: In der einstweiligen Verfügung gibt der Minogue Verlag an, er habe im Jahr 2005 einen Umsatz von über 100.000 Euro erzielt.

Welche Rolle Rechtsanwalt J. in diesem Fall spielt, wird sich nun zeigen. Der Betreiber von Computerbetrug.de und sein Anwalt Elmar Kloss von der Kanzlei Caspers-Mock in Koblenz haben die einstweiligen Verfügungen nicht akzeptiert. Deshalb kommt es jetzt zum Prozess. „Computerbetrug.de ist der Name eines Internet-Dienstes“, sagt Seitenbetreiber Rittelmeier. „Unter dieser Überschrift werden Personen genannt, die an Aufklärung und Bekämpfung von Computerkriminalität beteiligt sind, übrigens auch viele Rechtsanwälte, Institutionen, und sogar die Bundesregierung. Und niemand unterstellt, dass es sich dabei um Betrüger handelt. Es ist doch absurd, da eine Beziehung zu konstruieren.“ Und, für Rittelmeier ebenso wichtig: „Niemand kann beeinflussen, welche Seiten auf ihn im Internet verlinken.“

Konsequenz: Suchmaschinen aussperren?

Spannend wird das Verfahren aber nicht nur für Rittelmeier. Die Entscheidung des Gerichts, wenn sie denn negativ für Computerbetrug.de ausgeht, wird auch für viele andere Betreiber von Internetseiten Konsequenzen haben. Schließlich verlinken viele Betreiber von Internetseiten auf öffentliche Datenbanken oder andere Seiten. Und Suchmaschinen wie Google sind täglich auf Millionen Seiten unterwegs, um diese abzuspeichern. Sollten der Berliner Anwalt und der Minogue Verlag vor Gericht Recht bekommen, müssten viele Seitenbetreiber umdenken – und Suchmaschinen in letzter Konsequenz aussperren, um nicht in Verantwortung für deren Suchergebnisse genommen zu werden.

Update: Urteilverkündung am 14. Dezember

Die Frage, ob Betreiber von Internetseiten für fremde Suchmaschinen-Ergebnisse haften müssen, bleibt vorerst offen. Erst am 14. Dezember will das Amtsgericht Bad Kissingen dazu seine Entscheidung verkünden. Zu der mündlichen Verhandlung war der klagende Rechtsanwalt nicht gekommen, obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet war. Er ließ sich stattdessen von einem örtlichen Anwalt vertreten. Erörtert wurde in der Verhandlung vor allem die Frage, ob der Kläger zur Abmahnung von Computerbetrug.de überhaupt legitimiert sei. Immerhin hatte der Berliner Rechtsanwalt ausdrücklich erklärt, er sei eben nicht identisch mit der Person, deren Namen Google.de in seinen Suchergebnissen aufgeführt hatte. Rechtsanwalt Elmar Kloss, Vertreter von Computerbetrug.de, bot einen Vergleich an, nach dem der Berliner Anwalt auf seine Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichten, sowie sein Kosten selbst tragen solle. Im Gegenzug werde Computerbetrug.de ihm keine Kostenrechnung stellen. Das wollte der Vertretungsanwalt des Klägers nicht entscheiden. Der Kläger bekam nun vom Gericht noch einmal Frist bis zum 30. November eingeräumt, innerhalb der er sich schriftlich äußern kann.