Hamburger Landgericht fordert Vorabkontrolle von Foren-Kommentaren

Blogger und Forenbetreiber, die sich mit kritischen Themen befassen, unterliegen erhöhten Prüfungspflichten. Deshalb müssen sie Kommentare oder Foreneinträge Dritter gegebenenfalls vorab kontrollieren und zensieren. Das hat heute das Landgericht Hamburg im Prozess der Firma Callactive GmbH gegen den bekannten Medienjournalisten Stefan Niggemeier festgestellt.

Niggemeier, einer der bekanntesten Blogger Deutschlands, befasst sich schon länger kritisch mit den Anrufsendungen, die von der Callactive GmbH produziert werden und unter anderem in TV-Sendern wie Nick, Comedy Central oder Viva laufen. In diesen Sendungen werden Geldpreise ausgespielt, wobei die Zuschauer sich per Anruf über teure 0137-Nummern beteiligen können.

Im April 2007 berichtete der Journalist und Blogger („Bildblog“) unter der Überschrift „Call-TV-Mimeusen“ über einen Rechtsstreit zwischen einer Moderatorin und dem kritischen Internetforum „call-in-tv.de“. Und genau dieser Bericht sollte ihm Monate später völlig unerwartet zum Verhängnis werden. An einem Sonntag im August, am frühen Morgen um 3.37 Uhr, schrieb ein Unbekannter nämlich unter diesen Bericht einen beleidigenden Kommentar über Callactive. Der Journalist reagierte prompt und vorbildlich: Nur wenige Stunden später, am Sonntagvormittag um 11.06 Uhr, entdeckte er den beleidigenden Blog-Kommentar und löschte ihn sofort.

Nur wenige Stunden lesbar

Soweit alles in Ordnung – sollte man meinen. Doch dem war nicht so. Obwohl der beleidigende Kommentar nur wenige Stunden zu lesen war, ging die Firma Callactive juristisch gegen Niggemeier vor. Der hafte als „Störer“ für den beleidigenden Kommentar mit, meinte die Firma. Schließlich stelle er sein Blog zur Verfügung und erlaube darin Dritten, unter Pseudonym Kommentare zu verfassen. Es sei deshalb Niggemeiers Pflicht, die Kommentare vor der Veröffentlichung auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu überprüfen.

Niggemeier selbst vertrat – auch gestern vor Gericht – eine andere Meinung. Eine Pflicht zur Vorabkontrolle von Blog- und Forenkommentaren bedeute das Ende der Diskussionskultur in Online-Foren und im Internet, sagte er. Eine ständige Überwachung sei Betreibern von Meinungsplattformen kaum zumutbar. Überhaupt: Selbst wenn man  aktuelle Debatten in seinem Blog oder Forum kontrolliere sei man nicht davor gefeit,  dass – wie in seinem Fall geschehen – Monate später jemand völlig überraschend einen rechtswidrigen Kommentar zum Thema schreibt. „Das ist eine Falle, aus der ich nicht herauskomme“, so der Journalist.

„Große Mühe geben“ reicht nicht

Die Hamburger Pressekammer unter Vorsitz von Richter Andreas Buske zeigte in der Verhandlung heute Vormittag zwar durchaus Verständnis für Niggemeiers Argumente. Die Richter räumten auch ein, dass er damals sehr gut reagiert habe: „Sie haben sich – im Gegensatz zu vielen anderen Forenbetreibern – sehr große Mühe geben, ihren Prüfungspflichten gerecht zu werden“, so die Richter wörtlich. Nur: Das reiche nicht. Niggemeier hätte wissen müssen, dass er mit der Berichterstattung über Anrufsendungen ein „heißes Eisen“ anfasst und damit rechtwidrige Kommentare Dritter geradezu provoziert. Folglich hätte er alle Kommentare sperren und erst nach Sichtung und Moderation zur Veröffentlichung freigeben dürfen – eine Ansicht, die von den Hamburger Gerichten schon länger vertreten wird.

Entscheidung fällt kommende Woche

Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts – Niggemeier sollte die einstweilige Verfügung akzeptieren, die Anwaltskosten sollten dafür von den jeweiligen Parteien selbst getragen werden – lehnte der Journalist und Blogger ab. „Es geht hier um eine prinzipielle Frage“, erklärte er. Kommende Woche wird die Kammer also ihre Entscheidung fällen – wohl gegen Niggemeier (Az. 324 O 794/07). Der hatte schon im Vorfeld angekündigt, eine Niederlage nicht hinzunehmen. Die Abmahnung der Firma Callactive sei ein Versuch, „Kritiker ihres zweifelhaften Geschäftsgebarens mürbe und mundtot zu machen“. Dagegen werde er sich mit allen Mitteln wehren.