Teure Gratis-SMS-Seiten: Jetzt kommen Rechnungen und Spam

Tricks mit 0900-Dialern sind kaum noch möglich, Handypayment hat sich selbst das Grab geschaufelt. Wer auf die Schnelle im Internet Geld verdienen will, ist deshalb auf andere Geschäftsmodelle angewiesen. Die Folgen bekommen Surfer in diesen Tagen zu spüren: Die neue Masche, Verbraucher mit Gratis-SMS zu ködern, um ihnen dann teure Verträge anzudrehen, treibt bunte Blüten. Sogar Spam-Mails werden schon verschickt, um Kunden für die „Gratis SMS“ mit Haken zu gewinnen. Während Verbraucherschützer noch rätseln, wie sie den neuen Tricks begegnen sollen, schlägt für viele Betroffene die Stunde der Wahrheit. Ihnen flattern jetzt die Rechnungen ins Haus.

Simsen.de machte vor gut vier Wochen den Anfang, inzwischen sind etliche Betreiber auf den lukrativen Zug mit aufgesprungen. Egal ob smsfever.tv, smscase.de, sms-trend.de, simsing.de oder 66sms.de – die Masche ist überall die Gleiche: Auf den Seiten wird in großen, bunten Überschriften versprochen, dass man nach Registrierung eine bestimmte Anzahl von Kurznachrichten versenden könne. Gratis, versteht sich. Und die Teilnahme an einer Verlosung sei auch noch drin. Der Teufel steckt allerdings im Detail. Denn im Kleingedruckten, oft erst nach Scrollen am unteren Seitenende sichtbar, erklären die Betreiber, was wirklich Sache ist: Wer seine persönlichen Daten angibt, schließt mit den Anbietern einen langfristigen Vertrag ab. Und damit wird der SMS-Versand kostenpflichtig. Im Schnitt sieben Euro pro Monat wollen die Betreiber haben, zahlbar gegen Rechnung für ein Jahr im Voraus. Das lohnt sich nur, wenn man tatsächlich viele Kurznachrichten – über das Internet – verschicken will. Anderenfalls hilft nur die schnelle Kündigung. Und auch die hat oft einen Haken. In seinen Geschäftbedingungen schließt so mancher Anbieter ein Widerrufsrecht aus, wenn man den SMS-Versand schon begonnen habe.

Goldgräberstimmung in der Branche

In der Affiliate-Branche hat die neue Masche Goldgräberstimmung ausgelöst. Denn die Betreiber der „Gratis-SMS-Seiten“ bieten für jeden geköderten Kunden satte Provisionen an. Und das kommt an, auch wenn die Tour bei vielen Internetwerbern umstritten ist. Die Marketing-Maschinerie läuft jedenfalls auf Hochtouren. Wer bei Google nach kostenlosen Kurznachrichtendiensten sucht, wird in der Anzeigenleiste mit Werbung für die neuen Angebote regelrecht überschüttet. Von „kostenlos“ und „gratis“ schreiben dort die Inserenten, von Folgekosten und Verträgen nicht. Skrupel? Fehlanzeige: „Wer zu dämlich ist sich 3 Zeilen durchzulesen hat eben Pech, ganz einfach“, heißt es wörtlich in einem Branchenforum. Auch so mancher Betreiber von früheren Dialer-Seiten hat umgesattelt und bewirbt jetzt simsen.de & Co. Andere gehen noch dreister vor. Inzwischen schlugen bei vielen Internetsurfern die ersten Spam-Mails auf, in denen die neuen Dienste beworben werden. Der Wortlaut einer solchen Werbemail, die Dialerschutz.de vorliegt:

Hi, ich habe ne echt tolle Seite gefunden, bei der wir unsere Kohle sparen können.
Du kannst da im Monat 100 SMS kostenlos verschicken.
Ach so und ein Handy verlosen die auch noch. Jetzt hast du wenigstens keine Ausrede mehr warum du nicht geschrieben hast 😉
Also melde dich schnell kostenlos an und schreibe mir.

Bis gleich
Steffi

Achso hier ist die Seite: www.(editiert)/sms

Seriöse Anbieter von kostenlosen SMS-Diensten raufen sich angesichts solcher Methoden die Haare. Doch nur wenige holen zum Gegenschlag aus. So wie Vito-Laurent Fichera. Der Gründer von VLF.net sorgte sich um seinen Ruf und warnte öffentlich vor der dubiosen Konkurrenz. „Zum Ärger der seriösen Diensteanbieter versuchen seit kurzem verschiedene Firmen, mit einer fadenscheinigen Masche ordentlich abzuzocken“, erklärte er und verschickte als Pressemitteilung eine deutliche Warnung: „Prüfen Sie bei jedem Angebot sorgfältig, ob es sich bei den versprochenen free SMS wirklich um kostenfreie SMS handelt, oder ob nicht ein teures Abo über mehrere Jahre dahinter steckt.“

Schweigen im Walde

Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn bei den deutschen Verbraucherzentralen herrscht zu der neuen Masche bis heute Schweigen im Walde. „Die Juristen sind über die Bewertung dieser Angebote wohl noch kräftig am diskutieren“, berichtet eine Verbraucherschützerin gegenüber Dialerschutz.de. Nur einer wagte sich schon aus der Deckung. Ronny Jahn, Jurist bei der Verbraucherzentrale Berlin, kam in seinem Blog ( verbraucherrecht.blogspot.com) zu einem recht eindeutigen Schluss: „Es gibt (..) erfolgversprechende Möglichkeiten, wie man sich von dem Vertrag lösen kann, wenn man auf diese Dienste hereingefallen ist und unerwartet einen Jahresvertrag am Halse hat. Bei der Anfechtung ist zu beachten, dass diese unverzüglich nach Erkennen des Irrtums erfolgen und eine Begründung enthalten muss. Vorsichtshalber sollte man die entsprechenden Seiten mit einem Screenshot sichern, um im Zweifelsfall die Täuschungsproblematik auch darlegen zu können. Das Ganze dann per Einschreiben/Rückschein abschicken, da nur so der Zugang bewiesen werden kann.“

Ob das funktioniert, können viele Internetsurfer jetzt selbst probieren. Denn „gratis“ war gestern. Heute kommen die Rechnungen. Wer sich bei einem der SMS-Dienste registriert hat, dem flattert in diesen Tagen Post ins Haus. Nach Ablauf der zweiwöchigen Widerspruchsfrist fordern die Anbieter nämlich ihr Geld ein. Und damit verbunden stapeln sich in den Verbraucherforen – nicht nur bei Computerbetrug.de und Dialerschutz.de –die Beschwerden von Betroffenen, die sich abgezockt fühlen. Man habe das Kleingedruckte nicht gelesen und auf die Behauptung vertraut, es handle sich um einen Gratis-Dienst, ist die häufigste Begründung. Man sei schlichtweg irregeführt worden, beschweren sich die Rechnungsempfänger, die jetzt bis zu 100 Euro zahlen sollen. Aber nicht wollen: Viele Betroffene kündigten an, nicht zu bezahlen und auch den Drohungen von Inkassounternehmen zu widerstehen. So könnten die ersten Forderungen in naher Zukunft vor Gericht landen. Dann schlägt die Stunde der Wahrheit – für die Betroffenen, aber auch die Anbieter.