„Operation Blitzkrieg“: Anonymous gegen die Neonazis – hehre Ziele, falscher Weg

Die Hackergruppe Anonymous holt zum Schlag gegen Neonazis aus: auf einer Internetseite veröffentlicht sie die Daten angeblicher Neonazis und deren Unterstützer. Zeitgleich werden rechte Webseiten lahmgelegt. Ein Kommentar aus gegebenem Anlass.

Anonymous geht gegen Neonazi-Webseiten vor

Die Aktion trägt den plakativen Namen „Operation Blitzkrieg“ und hat offenbar Verbreiter rechten Gedankenguts im Visier: die Hackergruppe Anonymous hat damit begonnen, Webseiten von Neonazigruppen und deren Unterstützer anzugreifen. Eines der Ziele scheint zu sein, die Webseiten aus dem Netz zu löschen. Grundsätzlich scheint dieser Weg unterstützenswert. Die Nationalsozialisten und Neonazis haben in unserer Welt schon mehr Schaden angerichtet, als man noch aufzählen könnte. Ob man diesem illegalen Treiben allerdings mit anderen illegalen Methoden begegnen sollte, darf durchaus hinterfragt werden.

Zusätzlich werden auf einer eigens geschaffenen Webseite die Namen angeblicher Neonazis und Unterstützer veröffentlicht. Unter anderem werden dort Namen, Adressen und Telefonnummern von Menschen veröffentlicht, die bei „rechten“ Versandhäusern bestellt haben. Auch eine Spenderliste der NPD ist dort zu finden. Ob das der richtige Weg im Kampf gegen rechtes Gedankengut ist, darf man durchaus bezweifeln. Die Zeit öffentlicher Pranger sollte eigentlich vorbei sein. Zudem: welche Aussagekraft hat eine Kundenliste eines Versandhauses? Auch ein Lehrer, der zum Beispiel für seinen Unterricht gegen Rechts Schauobjekte des rechten Kults bestellt hat, stünde auf der Liste. Allein die Tatsache, dass jemand dort bestellt hat, macht ihn noch nicht zum überzeugten Rechten. Die Aussagekraft einer solchen Ansammlung von Namen und Adressen ist also eher gering.

Auch die Veröffentlichung der Spenderliste der NPD macht mich nachdenklich: aktuell ist die NPD eine in Deutschland offiziell erlaubte Partei und steht damit vom Status her in einer Reihe mit CDU und SPD. Zum Glück allerdings mit deutlich weniger Anhängern. Bislang haben es unsere Politiker nicht geschafft, die Partei verbieten zu lassen. Meinungsfreiheit gilt eben nicht nur für das, was den meisten gefällt, sondern in gewissem Umfang auch für Grenzbereiche. Und es gehört auch mit zu einer Demokratie, Spinner in einem gewissen Umfang zu tolerieren und zu ertragen. So lange die Grenze noch nicht erreicht ist, die unser rechtliches System definiert, so lange muss man auch mit anderen Meinungen leben, auch (oder besser: gerade) wenn man sie persönlich nicht teilt. Das ist das eigentliche Wesen einer freiheitlichen Demokratie: Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Sobald die gesetzlich definierte Grenze überschritten wurde, darf sich unser System auch gegen andere Meinungen wehren. Bei der NPD scheint diese Grenze jedenfalls noch nicht überschritten (ob das jetzt an einer falschen Strategie, handwerklichen Fehlern der Gegner oder etwa den Inhalten des Parteiprogramms liegt, spielt an dieser Stelle erst mal keine Rolle), was ja auch mehrfach gerichtlich bestätigt wurde. Was soll es also bringen, Spender einer offiziell zugelassenen Partei zu veröffentlichen?

Ein anderes Problem wird zusätzlich aufgeworfen: wer steht dafür ein, dass die Listen korrekt sind? Wer garantiert, dass nicht ein Mensch, den der Listenersteller nicht leider kann, mal kurz auf die Liste gepackt wurde? Was passiert mit Menschen, die später gemerkt haben, dass ihr Weg der falsche ist und sich politisch umorientiert haben? Soll man die im Netz auf ewig als Neonazis brandmarken? Und zuletzt: kann es grundsätzlich richtig sein, ein berechtigtes Anliegen (Kampf gegen Rechts) mit illegalen Mitteln zu verfolgen (Einbruch in Computersysteme)?

Die Anonymous-Aktion wirft aus meiner Sicht mehr Fragen und Probleme auf, als sie löst. Der Weg im Kampf gegen rechtes Gedankengut sollte jedenfalls anders beschritten werden: Aufklärung unserer Jugend, Aufzeigen von Alternativen, Hilfe bei der Formung einer politischen Identität. Pranger helfen keinem weiter…

Ein Kommentar von Heiko Rittelmeier.